Das Reeperbahn-Festival hat wieder alle Rekorde gebrochen. Insgesamt über 40.000 Besucher an vier Tagen, davon 4.700 Fachbesucher aus 57 Nationen nahmen an der zwölften Ausgabe des Reeperbahn Festivals teil.
Der Anchor Award der internationale Musikpreis des Reeperbahn Festivals, bei dem acht Nominierte um die Auszeichnung zum vielversprechendsten Newcomer spielen, ging in diesem Jahr an die britische Songwriterin Jade Bird. Die Jury begründete ihre Entscheidung: ”We have decided upon an artist with impressively broad range, who displays strong songwriting and musicianship, bringing something fresh and unconventional to her genre.”
Herzlich Glückwunsch und hier ein Video.
Auch das Team von Reeperbahn.de war wieder an allen Tagen unterwegs und lies sich durch das Festival treiben. Traditionell starten wir auf dem Spielbudenplatz und lauschten der Eröffnung des n-joy-Buses durch die Sängerin Antje Schomaker. Im Mini-Astra-Turm, der Knolle, hörten wir dann Stevie Parker. Doch der erste Akzenkt wurde durch Adam Naas aus Paris gesetzt. Dieser Mann hat einfach eine unfassbare Stimme.
Neu in diesem Jahr war auch das Festival-Village auf dem Heiligengeistfeld. Eine sehr chillige Area, in der man sich in Hängematten oder Liegstühle fläzen konnte. Hin und wieder spielte auch eine Band. Hier konnte man gepflegt sein Festival planen und coole Leute aus allen Richtungen kennen lernen.
Erstes Clubkonzert war der schweizer Sonnyboy Damian Lynn im Häkken. Der Mädchenschwarm mit dem gefälligen POP-Sound machte viele Herzen glücklich, als er mit seinem Hit „When we do it“ das Kopfkino aktivierte.
Tag 2 begann im Sommersalon mit Hatti Vatti im Sommersalon und Mogli gefühlvolle Songs im N-JOY Reeperbus. Für richtigen Dampf sorge die Formation SATE im kukuun, die im Rahmen des Festival Schwerpunkts Canada furios aufspielten. Wenig später fanden wir uns an der Spielbude wieder um der koreanischen Gruppe CIFKA zu lauschen. War aber irgendwie nicht unsers. Eine gute Entscheidung, so hatten wir die Gelegenheit Alice Merton eingängige Stimme zu erleben und auch ihrem Hit „No roots“.
Natürlich mussten wir auch dem neunen Festival Spielort Olivia Oase einen Besuch abstatten. Dort wurde junger Parmesankäse gereicht, denn der Schwerpunkt war bella italia. Auch wenn wenige Besucher bei SHIJO X da waren. Die Fangemeinde feierte ausgelassen.

Da wir aber „no roots“ nicht aus den Ohren bekamen, holten wir uns im Docks das ganze Paket Alice Merton ab. Und es wurde noch eindringlicher. Diese Frau ist ganz zu recht ein Star.

Tag 3 begann recht lauschig. Wieder machten wir unsere Runde über den Spielbudenplatz. Lauschten AMISTAD und CRIMER beim N-JOY Reeperbus und der gute Laune-Band Lexodus in der Spielbude.
Eher zufällig, da die Schlange vor dem kukuun bis weit in den Spielbudenplatz reichte, kamen wir in die Prinzenbar. Zu hören und zu sehen gab es die britische Sängerin Mahalia. Es gibt ja so Momente, wo ein ganzes Publikum einen Performer sofort in Herz schließt. Schon nach ihrer ersten gefühlvollen Ballade hatte sie den voll besetzten Saal auf ihrer Seite. Und spätesten nach dem Song über eine unerwiderte Liebe mit dem fordernden Titel „Marry me“ schwelgte das Publikum in den eigenen Erinnerungen. Ein wunderschöner Moment. Auch mit a capella-Stimme war es, als höre man Musik. Danke für den tollen Auftakt des Abends.
Die nächste Show brachte uns in den Bahnhof St. Pauli, Der kultige Club mit dem so oder so Underground-Flair brachte uns Adna. Die Dame mit der rauchigen Version einer Enya-Stimme, hatte ihren Partner an den E-Drums mitgebracht. Der sorgte für einen Score, der einem zeitweise die Lüngenflügel zum Vibrieren brachte, um dann immer einen Gang runter zuschalten, damit wir uns wieder Adnas Feenstimme zuwenden konnten. Dazu gab es eine imposante Lichtshow mit viel Nebel und Strahlern. Alles toll, aber richtig satt wurden wir nicht von diesem skandinavischen Dark Folk.
Im Imperial Theater gingen wir dann in das laufende Konzert von King Creosote. Der Schotte mit dem schütteren Haar und der freundlichen Ausstrahlung, sorgte für viel Interaktion mit dem Publikum, das in seinen Songs die pure Lebensfreude spürte. Die Lieder, die in perfekt einen Pub passen würden, wirkten in den Kulissen des laufenden Stücks der Fluch des Pharao mit den vielen ägyptischen Motiven etwas deplaziert. Ein anderer Ort und es wäre ein Heimspiel geworden.
Bei der nächsten Künstlerin Yasmine Hamdan wussten wir vorher nicht, dass uns der heutige Höhepunkt bevorstand. Ein Crossover aus arabischer Musik mit sphärischem Rock und Spuren von Balkanbeats. Dazu eine Sängerin, die sich mit ihrer ganzen Band in der eigenen Musik verliert. Gut vorbereitete Tempowechsel sorgten für einen rauschhaften Trip durch ein Crossover der Kulturen – immer zusammen gehalten durch Yasminas beschwörende Stimme. Dass an den Mikrophonen kleine Lampen hingen, die je nach Lautstärke etwas heller wurden, sorgte für einen weiteren hypnotischen Moment. Und je länger diese mystische Stunde dauerte, desto mehr drückte die Band aufs Tempo, so dass zum Finale alle Besucher am Tanzen waren und es gar nicht bemerkten.
Dass sie im Feuilleton so gefeiert wird, ist völlig berechtigt.
So sphärisch gestimmt reihten wir uns in die Schlange bei Beth Dito ein. Etwa 10 Personen vor uns war Einlasstopp in der Großen Freiheit 36. Zum Glück ist die stämmige Dame und Queer-Ikone nicht jedermanns Sache und nach drei Stücken, konnten wir auch hinein. Und schon da hatte die Britin schon alles im Griff. Ein freundlicher Snack mit dem Publikum und weiter ging es im Line-up. Aber typisch Hamburg, alle warten auf die Hits „Fire“ und „We could run.“ Und das Energiepaket lieferte. Wunderbar diese wahnsinnige Stimme durch die Freiheit hallen zu hören. Jetzt waren wir satt. Danke #rbf17.
Der Finaltag startete mit der Formation Vita and the Wolf (Anspielung auf die Liason von Romancier Vita Sackville-West und Virginia Woolf) im kukuun. Der aufgeladene wummernde Electrosound wurde durch die rauchige Stimme von Frontfrau Jennifer Pague perfekt ausgenutzt. Die Ballade „Bury you“ und der Hit „Tunnels“ sorgten für Stimmung im vollbesetzten Club.

Der nächste Gig machte uns Schockverliebt. Im Nochtspeicher sahen wir auf die Performance einer französischen Sängerin namens Fishbach. Die spröde Dame kokettierte so extrem mit ihren vorgespielten Neurosen, dass dem Publikum der Atem stockte. Sie tanzte torkelnd wie unter K.O.-Tropfen über die kleine Bühne. Lächelte verstört und sang dabei so wunderschönen Pop. Durchatmen.
Finale gab es dann in der Großen Freiheit. Die Hamburger Formation Meute sorgte für eine volle Halle und einen würdigen Abschluss ausgestattet mit Trommeln und Blasinstrumenten spielten sie Coverversionen bekannter Techno-Songs. Da gingen das Publikum ab wie Schmidts Katze und gab nochmal alles.
Bei Gretel&Alfons endete unser Festival. Lange sprachen wir darüber, wer was gesehen hatte und wurden immer müder.
Die Macher zogen wenig später auch ein richtiges Fazit.
„Wir haben das qualitativ hochwertigste Reepernbahn Festival erlebt – sowohl in Bezug auf die Konzerte, als auch auf das Film-, Kunst- und das Fachbesucherprogramm konnten wir eine noch nicht da gewesenes Niveau anbieten. Und damit meine ich nicht nur die nochmals gestiegenen Optionen für alle Teilmärkte international Geschäft zu machen. Wir haben auch das gesellschaftspolitisch stärkste Reeperbahn Festival erlebt. Das gestern selbst gesteckte Ziel, bis 2022 das Gender Gap auf der eigenen Veranstaltung zu schließen ist nur ein Beispiel dafür.”
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