Die Gangart wird rauer. Waren die Geschichten von den nächtlichen Ausflügen auf der Reeperbahn bis vor kurzem noch so, dass man gern erzählte, wie man es leicht angetrunken mit oder ohne „Beute“ nach Hause geschafft hat, so prägen jetzt andere Erlebnisse die Wahrnehmung. Und die zeugen von keiner guten Entwicklung. Der Kessel steht unter Dampf.
Die Besucher sind angespannter, werden vorsichtiger, denn nicht nur in den Medien wird von Übergriffen jeglicher Art berichtet, auch auf privater Ebene hört man von Begegnungen, die keiner braucht. Ein Bekannter wurde am Ende der Großen Freiheit von drei Männern belästigt, die ihn ausrauben wollten. Er schlug zu und rannte. Ein anderer wurde in der Erichstraße angetanzt und der Dieb hatte seinen Geldbeutel schon in der Hand, bevor er schließlich lag. Eine andere Freundin wurde übel begrapscht, nein, nicht von einem Marrokkaner, sondern von gleich zwei Pauli-Fans aus dem Viertel.
Was hat sich verändert? Klar, das Weltklima. Polarisierung geschieht auf allen Ebenen. Die Schere zwischen Arm und Reich wird im Straßenbild immer sichtbarer – was ein Ungerechtigkeitsgefühl hinterlässt, oder sogar Ohnmacht. Also klammert man sich an etwas. Irgendwelche Ideale als Krücke.
Hinzu kommt ein geschürter Konflikt bzgl. der ins Land gekommenen Ausländer, die sicher teilweise irgendein Frauenbild haben, das aus dem tiefsten Bayern stammen könnte. Die Angst vor einem erneuten Silvester mit Übergriffen liegt wie eine dumpfe Glocke über dem Stadtteil.
Doch mal im Ernst, sind wir nicht hier, um gemeinsam zu feiern und um gut miteinander umzugehen? Wo bleibt der Humor, der Charme. Es muss nicht immer den niedrigen Instinkten gefolgt werden. Auch wenn es bequem ist.
Neulich war ein Bekannter in einer Kneipe bei einem HSV-Spiel. Er fragte einen Gast: „Was mache ich, wenn der HSV die Champions-League gewinnt?“ Pause. „Ich mache die X-Box aus und gehe schlafen.“
Den Schlag hat er gar nicht kommen sehen, er ging blutend nach Hause. Also klar, Ultras zu foppen ist so eine Sache, aber wenn ein Witz gut ist, kann man das doch auch mal akzeptieren.
Genauso ist es mit der Abfuhr. Wem ist denn nicht schon eine Ablehnung von den Schönheiten der Nacht wiederfahren. Nehmt es mit Humor, vielleicht ist dann sogar noch was drin. Es ist doch ein Spiel. Ein schönes, altes. Wer aber gleich in den Hater-Modus schaltet, wird schnell hässlich. Im Gesicht und im Geiste. Und so einen will keiner.
Das ganze wird durch den Cocktail aus Alkohol und Sonstigem oft beschleunigt. Veränderte Wahrnehmung führt zu falschen Einschätzungen. Nein. Jetzt kommt keine Moralpredigt, merkt es euch einfach, ihr seid nicht ihr, wenn ihr drauf seid. Einfach in einem klaren Moment wissen, das ist der Automodus.
Also entspannt euch. Ob Pauli oder HSV – es ist nur Fußball.
“Nein” heißt “Nein” – oder welchen Teil davon kann man nicht richtig verstehen. Und die gute Nachricht: ein “Ja” heißt “Ja”. Schließlich sagt man nicht umsonst „Wer f***** will, muss freundlich sein.“
Seid tolerant, aber wachsam, denn manche meinen, das sei Schwäche.
Haltet einfach mehr zusammen und stresst euch nicht gegenseitig. Bringt doch nur schlechte Vibes in unser St. Pauli. Aber pisst bitte nicht überall hin.
So, jetzt einmal tief durchatmen. Es geht um nichts – außer unseren Hedonismus.
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