Hier unser Rückblick auf das 10. Reeperbahn Festival.
Schon am Mittwoch war die Stimmung gut, denn der FC St. Pauli gab mit einem Heimsieg über Heidenheim seinen Segen. Bereits gegen 19 Uhr war der Spielbudenplatz gut gefüllt und von überall dröhnten die Soundchecks aus den Clubs. Das erste Konzert führte uns in den Sommersalon. Natürlich standen wir erstmal vor dem alten Domizil auf dem Hamburger Berg. Dass es jetzt zwei gibt, daran muss man sich erst einmal gewöhnen. Mit etwas Verspätung erreichten wir unseren ersten Act, Larissa White. Die Sängerin aus Ecuador zeigte gleich mal den musikalischen Trend des Festivals. Mit einem DJ als Support Act bekam ihre Performance gleich mehr Wumms. Begleitet von drei Schönheiten mit Geige und Cello und fein abgestimmten Beats intonierte die Sängerin ihre selbstverfassten Songs über Liebe, Verrat und Party. Vor fast jedem Stück erklärte sie dem mitwippenden Publikum, welche Episode in ihrem Leben sie zu den jeweiligen Liedern inspiriert hatte.
Wer Portishead mag, war bei Larissa in besten Händen. Schade, dass es so schnell vorbei war.
Danach eilten wir in das Molotow. Dort rockte schon die Formation Magnus die Bühne. Auch hier war elektronischer Support dabei. Vor allem das Zusammenspiel von Live Drummer mit der Beatbox sorgte für eine harten Grundcore. Die virtuos gespielte Gitarre umschmeichelte die rockige Stimme des Leadsängers nachhaltig. Die pure Energie erreichte das ganze Publikum und sorgte trotz des viel zu kurzen Sets für Pogoathmosphäre. Noch drei Stücke mehr und der Saal hätte gekocht.
Gut gelaunt sind wir in den Karatekeller. Und Gott sei Dank sind wir dahin. Aus Slowenien kommt N-toko, der wahrscheinlich schnellste Rapper überhaupt. In dem engen Keller skandierte er in einem Tempo, das er über sein Soundsystem mit Drum’n’Base, Elektro-Motiven und wabernden Sounds permanent variierte. Der Junge war in so einer Spiellaune, dass es kein Entkommen gab.
Als die Veranstalter ihm anzeigten, dass jetzt Schluss sei, wurde das Publikum schon fast feindselig. Gern wäre es noch weiter ausgeflippt. Wir besorgten uns eine CD, weil wir nicht genug bekommen hatten.
Als wir in der Nacht mal reinhörten, waren wir fast schockiert, wie schnell er in seiner Landessprache rappt.
Danach flanierten wir noch ein bisschen über das Gelände und genossen die begeisterten
Menschenmassen. Überall hörte man Lob über den reibungslosen Ablauf zwischen den Sets, die Auswahl des ersten Festivaltages und den durchweg guten Sound in den Locations.
Tag 2
Der nächste Tag begann mit LCMDF, zwei wütende Damen aus Finnland. Mit ihrem Grunge-Punk-Electro-Rock sorgten sie für reichlich Wirbel im Sommersalon. Allerdings konnte die Stimme der Leadsängerin nicht den eigenen Musikteppich ausfüllen. Und so blieb es beim Aufschrei.
Nächster Stopp war das kukuun, der neue Musikclub im Klubhaus. Bei dem Schwerpunkt Kanada sang Gabrielle Papillon. So richtig wussten wir das Konzert nicht zu werten. Der Urban Folk wirkte irgendwie etwas altbacken. Musik, die gut zu einer Tasse Kaffee passt.
Der Abend wurde im Nochtspeicher eingeleitet mit Dengue Fever – klassischer Ethnopop mit Soul und viel Drums. Die US-Formation um Sängerin Chom Nimol hat den kambodschanischen Musikstil für sich entdeckt und spielt schon seit 2001 zusammen. Wer sich fragte, in welcher Sprache denn da gesungen wurde, es war Khmer. Ungewohnt, psychedelisch und treibend. Auf jeden Fall ein tolles Konzert mit viel wippendem Publikum.

Im tollen Indra hatte sich in diesem Jahr das Mannheimer Musikcluster mit ihren Bands eingenistet. Wir kamen pünktlich zu Laura Carbone und ihrer wilden Gitarre. Das Energiebündel sorgte für einen Darksound, der sogar die Zehennägel erreichte. Gepaart mit einer (an-)klagenden Stimme wurde es ein richtig wilder Act. Laura, wir behalten dich im Auge.
Unser Weg führte dann in einen Kunst-Friseursalon. Das Konzept bestand daraus, dass einem der Pony etwas gestutzt wurde und man mit dieser Haarspende Zugang zu einer Wahrsagerin in einem dunklen Raum bekam. Ihr „Fang an zu Atmen“ ist mir immer noch im Ohr.
Schließlich wollten wir einem Phänomen auf die Spur kommen. Wanda heißt die österreichische Band, die der Shooting-Star der deutschsprachigen Musikszene ist. Entsprechend war das DOCKS knallvoll. Kurz nachdem wir noch einen hinteren Platz ergattert hatten, kam der Hinweis der Festival-App: Einlassstopp. Die Stimmung bei der weiblichen Ü-40 Klientel war so, als habe sie endlich ein Take That in ihrer Altersklasse gefunden. Zu Wanda selbst. Musikalisch eher leichtgängiger freundlicher Rock mit Falco-Effekten auf der Stimme. Inhaltlich haben wir nicht so viel verstanden, da die Besucher bei den Hits „Bussi Baby“ (heißt tatsächlich so) und „Meine beiden Schwestern“ die Band übersangen.
Tag 3
Der dritte Tag begann mit einem vom BID-Reeperbahn+ organisierten Diskussionspanel mit anschließenden Konzerten mit Künstlern aus St. Pauli. Das zentrale Thema war: Tut der Stadtteil genug, um sein kreatives Potential auch zur Entfaltung zu bringen? Die Keynote sprach Uwe Doll (creative quartiere), der zu Recht anmahnte, dass man das kreative Chaos auch zur Entfaltung bringen muss, damit es nicht durch die Ordnung geschluckt wird. Der Antagonismus zwischen beiden Paradigmen soll/muss in einer Balance stehen, damit kein Stillstand entsteht, der zu einem Exodus von Künstlern führt.
In der von Julia Staron (Quartiersmanagerin) geführten Diskussionsrunde ging es dann um die Vermietungssituation für kreative Bühnen auf St. Pauli, technologische Unterstützung durch Virtual Reality-Anwendungen und Identifikation mit dem Stadtteil. Bei letzterem Thema wurde nochmal auf die typischen St. Pauli Reflexe verwiesen, wenn zu viel Ordnung droht.
Danach übernahmen die Musiker die Bühne. Diskussionsteilnehmer Howard Bridges intonierte gefühlvolle Reggae-Balladen, Karo Fontana sorgten für Indie-Feeling bevor John Monday den Schlussakkord unter eine gelungene Veranstaltung setzte.
Erster Musikact im Regelprogramm war Penny Police im Head Crash. Die Sängerin zupfte an ihrer elektronischen Harfe und hauchte hin und wieder in ihr Mikro. Hier passten Location und Performer mal nicht zusammen. Nett, aber ohne Nachhall.
Ganz anders ging es zur Sache als The Courettes das Pooca musikalisch belagerten. Das Duo, eine explosive Kombination aus Danish Dynamite und brasilianischem Blut, sorgte für ein Beatkonzert ohne Schnick-Schnack. Geradlinig, frontal und mit viel Spielfreude. Das Pooca wurde innerhalb kürzester Zeit zur Schwitzhütte. Riot beat girl meets boy in the garage!! Frontfrau Flavia Couri hatte mit ihrem Mann die Sache voll im Griff und uns auch.
Um 0.30 ging es zur Afterparty von Dorfmeister. Der Altmeister des elektronischen Sound ließ das Publikum allerdings erst durch einen Support-Act einstimmen. Allzu lange wollten wir dann doch nicht warten. Also Dorfmeister, wir sehen uns das nächste Mal!
Tag 4
Den letzten Tag starteten wir mit Madjo im Imperialtheater. Die französische Stimmkünstlerin lieferte eine etwas nervöse Performance ab. Stimme und Musik liefen nicht konform, so dass die Enya-Klänge etwas verpufften.
Bevor wir in dem neuen Social-Club „Unterm Strich“ das Festivalfazit zogen, gingen wir noch zu Rone in das Moondoo. Der Electro-Nerd kombinierte Beats mit Geräuschen aus der Spielkonsole plus Zamphierpanlaute. Alles clean und sehr versiert. Schöner Ausklang.

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